Mit Motorrad meint man Max

Vorgeplänkel

Ich bin ja mit Carl Hertweck und Ernst Leverkus groß geworden, und beide waren sie Fans und Freunde der NSU Max – das kam in ihren Artikeln in „Das Motorrad“ immer wieder zum Ausdruck. Und ich habe als Jugendlicher sämtliche Motorrad-Hefte ab 1950 gelesen, ja verschlungen. So bin auch ich ein Freund der NSU Max geworden.

Es muss so 1969/1970 gewesen sein, als ich zu meiner ersten MAX komme. Es ist eine Supermax, die ich für 100 DM vom Schrottplatz geholt und nach Hause geschoben habe. Meine Eltern befanden sich da gerade in Urlaub und so hatte ich freie Hand und konnte schalten und walten wie ich wollte.

Also beginne ich, an der Max zu schrauben. Dummerweise sehr erfolglos, bis auf ein paar Huster gibt die Max keine Lebenszeichen von sich. Dabei bin ich ja gar nicht mehr so unbedarft und weiß schon, wonach ich zu schauen habe. Aber für die Max reicht es nicht – und dazu nähert sich bedrohlich die Rückkehr meiner Eltern.

Also gibt es noch eine richtige geballte und massive Schrauberaktion mit neuem Sprit, Kontrolle von Zündung, Vergaser und Ventilen und endlosen Kicken. Und dann ist es doch so weit: Die Max brüllt auf wie ein wilder Stier – kein Wunder, wenn nur der Krümmer am Zylinderkopf hängt und der Auspuff entfernt wurde. Aber egal, die Max läuft, wenn auch bestialisch laut und fast mit Vollgas. Trotzdem will ich die Maschine am Laufen halten – aber da sind die Nachbarn! Mit langen Schritten kommen drei Nachbarn aus den Nachbarsgärten an den Zaun gerannt und brüllen mich an, mit dem Lärm aufzuhören. Ja gut, OK, gegen so viel Power komm ich nicht an und schalte den Motor wieder aus – allerdings ungern und unter Protest.

Am Abend kommen die Eltern nach Hause und bekommen von den verräterischen Nachbarn sofort mitgeteilt, was ich da angestellt hatte. Ich bekomme ein Ultimatum gestellt: In drei Tagen muss die Max weg sein. Ich hätte ja bereits ein Motorrad (meine 175er DKW). Naja, also wie gewonnen, so zerronnen verschwindet die Max wieder aus meinem Leben und ich fahre brav weiter meinen alten Zweitakter. Das war meine erste Begegnung mit der Max.

Und so fahre ich in den nächsten Jahren weiter Zweitakter: Erst die abgebildete DKW, dann eine Suzuki GT380 und danach eine Maico MB 250.


Nun vergehen die Jahre, die ich mit wunderbaren Zweirädern verbringe. Aber immer wieder kommen mir NSU Mäxe in den Sinn. Und etwa 10 Jahre nach meiner ersten Begegnung mit einer NSU Max, also im Jahre 1980, wird mein Wunsch wahr. Bis dahin ist viel passiert, ich bin Elektrotechniker geworden, habe eine Familie, bin aus dem Ruhrgebiet in den Vogelsberg nach Hessen gezogen und habe ein schönes altes Fachwerkhaus gekauft - mitsamt einer Scheune. Ich fahre immer noch Motorrad, im Moment doch tatsächlich wieder alte Zweitakter von Maico. Dennoch: Jetzt ist die richtige Zeit für NSU.

Eine Supermax kommt ins Haus

Wir schreiben das Jahr 1980, also eine Zeit ohne Internet, Digitalkamaera und Handy. Ich sitze an einem Sonntag in meinem Häuschen im Vogelsberg und lese das lokale Sonntags-Magazin, den TIP. Und ich stolpere über eine Verkaufsanzeige: Eine NSU Supermax wird in Hungen angeboten, rund 50 Kilometer entfernt. Einen Anruf später sitze ich im Auto und bin auf dem Weg nach Hungen. Die Max steht neben ein paar anderen Oldtimern recht lieblos auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei. Das Motorrad ist vollständig, der Motor dreht, der Zustand – naja, direkt zum Fahren ist das nicht. Aber der Preis ist günstig, sehr günstig, beinahe verdächtig günstig. Warum wird dann klar: Keine Papiere. Egal, ich schraube ein paar Teile von der Max ab und verstaue alles im Kombi. Endlich habe ich eine Max, und dazu noch eine Supermax, genau so, wie ich es immer wollte. Halleluja!

Zu Hause versuche ich als erstes, den Motor zum Laufen zu bringen. Also frisches Öl rein, den Vergaser gereinigt und ein paar mal gekickt. Siehe da, die Max läuft, und gar nicht mal schlecht. Kein Klappern, kein Scheppern, klingt prima. Danach fange ich sofort an, die Maschine zu zerlegen.

Ich bin unglaublich motiviert und lege bei der Restauration ein atemberaubendes Tempo vor. Jeden Abend, jedes Wochenende, jede freie Stunde verbringe ich mit der Max. Und ich mache alles selber, selbst Dinge, die ich nicht gut kann, wie beispielsweise Lackieren. Aber bei meiner Supermax gelingt selbst das. Halt, eine einzige Sache gebe ich weg: Den Neubezug der Sitzbank, das erledigt ein Polsterer aus dem Antrifftal. Hat er zwar noch nie vorher gemacht, aber die Bank wird spitzenmäßig.

Nach kurzer Zeit kann ich schon wieder damit beginnen, die Supermax zusammen zu bauen – eine herrliche Arbeit. Ich poliere Alu und Chrom, baue einen komplett neuen Kabelbaum, löte passende Bowdenzüge – es ist wie ein Rausch. Heute kann ich es selbst kaum glauben, aber es ist wahr: Nach rund 10 Wochen steht die Supermax restauriert und fahrbereit vor mir. Probefahrten auf den Feldwegen um meinen Wohnort sind sehr zufriedenstellend, alles klappt, die Max läuft, hat Leistung, sieht top aus, blinkt, hupt und bremst. Ein Traum. Das Leben kann so schön sein.

Mit einem „Wechselkennzeichen“ bewege ich die Max viele Kilometer zwischen Alsfeld und Lauterbach und habe einen Riesenspaß mit der schönen NSU. Selbst das richtige Rücklicht habe ich montiert – ist nämlich das gleiche wie an meinen BW-Maicos.


So ganz 100%ig original habe ich die NSU nicht aufgebaut. So kommen schon mal Inbus-Schrauben zum Einsatz, der Lenker ist ein höher gekröpfter Magura und die Zierstreifen auf dem Öltank gehören so nicht dort hin. Aber das ist Absicht, die Max ist damals für mich kein Oldtimer, sondern eine Fahrmaschine.


Ich bin dermaßen begeistert und stolz auf meine Max, dass ich einen Restaurationsbericht schreibe, der tatsächlich ein halbes Jahr später in der „Oldtimer Markt“ veröffentlicht wird. Leider habe ich heute keine Kopien mehr von meinem Bericht und mein Manuskript ist auch im Laufe der Jahre verschwunden – eine Folge von 13 Umzügen.


Jetzt fehlen eigentlich nur noch TÜV-Prüfung und Zulassung. Dazu muß ich zunächst die Maschine über das örtliche Straßenverkehrsamt aufbieten lassen. Das wird angeleiert und dann heisst es, warten. Als dann Wochen später das Antwortschreiben kommt, falle ich aus allen Wolken: Die Maschine, meine Max, ist als gestohlen registriert, eine Zulassung wird abgelehnt.

Nach kurzer Verzweiflung kommt der gerechte Zorn in mir hoch. Aber ruhig, Brauner, heb dir das für später auf. Zunächst fahre ich zum Besitzer „meiner“ Max nach Nordhessen. Ein vernünftiger Mann, der die Max nicht zurück haben will, sondern nur einen angemessenen Preis dafür erwartet. Wir einigen uns auf 800 DM, dafür bekomme ich die originalen Papiere.

Aber das Geld will ich zurück haben und fahre noch am selben Abend nach Hungen zum Verkäufer. Der ahnt wohl etwas und will nicht öffnen, aber ich randaliere derart vor der Tür, dass die Eltern öffnen. Nach ein bisschen Gezicke von deren Seite fahre ich die ganz groben Geschütze auf und Ruckzuck habe ich den damaligen Kaufpreis und auch den Preis, den ich dem echten Besitzer gezahlt habe, zurück. Na also, geht doch!

Jetzt kann ich die Max zulassen. TÜV und Zulassung sind kein Problem mehr und schon kann ich mit meiner Supermax regulär auf die Straße. Der Spaß beginnt.

Ein Supermax-Gespann

Während der Restauration und auch danach habe ich mich immer wieder nach Supermax-Teilen umgesehen und bei guten Angeboten auch gekauft. Jedenfalls habe ich jede Menge Teile und sogar zwei komplette, aber zerlegte Maschinen in der Scheune. Und zur gleichen Zeit lerne ich Michael aus dem Nachbarort kennen, einen überzeugten Gespannfahrer. Die Infektion mit dem Gespann-Virus greift schnell auf mich über, und ich beschließe, eine zweite Supermax als Gespann aufzubauen. Einen geeigneten Steib LS200 bekomme ich für 200 DM aus Alsfeld. Die Anschlußteile für den Seitenwagen bestelle ich bei Herrn Peikert, und dessen „Leitfaden für Motorradgespanne“ wird von mir zig-mal gelesen und verinnerlicht.

Den Lauf, den ich bei der Restaurierung meiner Supermax hatte, kann ich konservieren und so geht es mit dem gleichen Elan an die Arbeit. Ich sortiere alle Teile, die ich für eine komplette Supermax brauche und beginne erneut zu schleifen, schmirgeln, polieren, putzen, lackieren und komplettieren. Die Erfahrung mit Supermax Nr. 1 ist noch frisch, so dass das zweite Motorrad recht flott rollfertig vor mir steht. Das gute ist auch jetzt, dass die Motoren sich in einem sehr guten Zustand befinden: Dicht, leistungsstark, völlig in Ordnung. An Neuteilen benötige ich lediglich die Gespann-Anschlußteile, das Steuerkopflager, Reifen, Züge (selbst gelötet), Lenker, Bremsbeläge, Bremslichtschalter und etliche Meter elektrische Leitung für den Kabelbaum.

Insgesamt habe ich die Supermax als Zugmaschine noch schneller zusammen, als meine erste Max. Mittlerweile ist es aber Winter geworden und ich beschließe, mir den kleinen Steib vorzunehmen. Dessen Zustand ist ganz OK, aber neuen Lack, ein paar Gummiteile und einen Sitz braucht er schon. Jetzt lasse ich mir etwas Zeit und mache das zur Winterarbeit.

Im März des nächsten Jahres bin ich dann soweit: Die Supermax und der LS200 werden verheiratet. Dabei unterstützt mich Michael, der Gespannfahrer, der schon mehrere Gespanne aufgebaut hat. Mit den Anschlußteilen von Herrn Peikert klappt das ganze auch sehr gut. Als die Max mit dem Gespannrahmen noch ohne Boot so da steht, kann ich nicht anders und muss auf eine Probefahrt auf die Feldwege gehen. Auf den Gespannrahmen kommt ein Brett, auf dem Michael mit fährt. Kilometer um Kilometer fahren wir so durch Feld und Wald und ich werde immer mutiger. Klappt doch bestens.

Für den Rückweg nehme ich noch eine schöne Waldstrecke mit Gefälle und lasse es ordentlich krachen – zu ordentlich. Denn als eine scharfe Rechtskurve kommt, reagiere ich falsch und lege mich in die Kurve. Natürlich fährt das Gespann jetzt geradeaus und zwar mitten in das dichte Buschwerk des Waldes, dass uns zum Glück federnd abfängt. Das Ergebnis der Aktion: Michael unverletzt, die Max leicht verkratzt und ich humpelnd mit einem Knöchelbruch. Michael bringt mich ins Krankenhaus und das Gespann zurück in die Scheune. Für die nächsten acht Wochen bin ich aber erst einmal lahm gelegt.

Aber auch diese Zeit geht vorbei, und in der Krankenphase habe ich nach Entlassung aus dem Krankenhaus viel geschafft: Die Schäden an der Max sind ausgebessert und das Boot habe ich auch fertig bekommen. Passend zum Beginn des Sommers bringe ich das Gespann durch den TÜV und melde es an. Seltsamerweise hat der Unfall keinen Schock und keine Gespann-Panik bei mir ausgelöst, und so fahre ich unbeschwert und mit viel Vergnügen mit meinem Supermax-Gespann durch den Vogelsberg, die Rhön und das Hessische Waldland.

Die letzte Probefahrt vor dem TÜV-Termin – ist alles OK, und das findet auch der TÜV in Alsfeld – obwohl der damals berüchtigt ist.


Die IDEAL-Scheibe am Motorrad war bei einem meiner Max-Teilekäufe dabei und deshalb habe ich sie montiert. Aber so richtig gefallen hat mir das nie. Und auch den Lenker würde ich heute nicht mehr nehmen. Damals aber fand ich’s OK.


Schönes Gespann in schöner Umgebung.


Durch meinen kleinen Crash fahre ich immerhin ab und zu auf Wiesen oder auf große Plätze und übe das Gespannfahren.


Bis auf wenige Kleinigkeiten ist mir das Supermax-Gespann richtig gut gelungen. Und es fährt sich einwandfrei, wie mir auch der TÜV-Ingenieur bestätigt.


Eine Reste-Max

Ich habs ja schon erwähnt: Es hatten sich so viele Max-Teile angehäuft, dass ich bis an mein Lebensende Max fahren könnte. Darunter sind aber auch etliche Spezialmax-Teile, aber ich will mich ja auf die Supermax beschränken. Also kram ich in kommenden Winter alles zusammen, was nicht Supermax ist und mache eine Bestandsaufnahme. Ergebnis: Daraus kann ich locker eine komplette Spezialmax zusammen bauen.

Und das werde ich tun! Die Max bekommt dann mein Bruder zum Geschenk, das wird ihn freuen.

Das wichtigste beim Aufbau ist ja ein kompletter Rahmen mit Brief – und das ist vorhanden. Der Spaß kann also beginnen.

Was für die Spezialmax fehlt, ist ein einbaufertiger Motor. Hilft also nichts, ich muss einen Motor aufbauen. Gute Teile sind da, das ist nicht das Problem. Aber so ein Motoraufbau verschlingt doch immer reichlich Geld: Neue Lager, Dichtungen, Simmerringe, Kurbelwelle überholen lassen, Zylinder honen, neuer Kolben, Kopf aufarbeiten – da kommt ein schönes Sümmchen zusammen. Aber es ist ja für die Familie, und dafür war der Aufbau meiner Supermäxe ausgesprochen günstig. Dank der Spezialwerkzeuge klappt der Motoraufbau gut – aber ohne das Buch vom Klacks und die Anleitungen aus „Das Motorrad“ wäre ich so manches mal hängen geblieben.

Derweil verlaufen die Arbeiten am Fahrgestell zügig und ohne größere Probleme.

Insgesamt laufen die Arbeiten prima, und im April gibt der Motor die ersten Töne von sich – und er läuft einwandfrei. Aufgrund der relativ hohen Kosten für die Motorüberholung muß ich an anderen Stellen etwas sparen. Deshalb bekommt die Max schwarz lackierte Felgen. Warum ich allerdings die Speichen in Gold lackiert habe, verstehe ich heute selbst nicht mehr. Klarer Fall von Geschmacksverirrung.

Erste Probefahrten verlaufen gut, die TÜV-Hürde wird locker genommen und der Tag der Übergabe naht.

Die Überführung erfolgt auf eigenen Rädern – hab die Max dafür mit einem Wechselkennzeichen versehen. Und bis auf die goldnen Speichen ist die Maschine recht ordentlich geworden. Brüderchen freut sich natürlich wie ein Schnitzel und fährt dann für die nächsten Jahre NSU Max. So soll es sein.

Mein Bruder hat die Max dann etliche Jahre gefahren und hatte viel Freude daran – da freut man sich doch gerne mit.

Nun hätte ich viele, viele Jahre lang Supermäxe fahren können, eigentlich bis heute. Wahrscheinlich wäre ich dann sogar zum echten Max-Kenner gereift. Aber flatterhaft, wie ich damals war, habe ich alle Mäxe mitsamt den Ersatzteilen nur drei Jahre später wieder verkauft – und das nur, weil ich eine Honda CB750 für eine Skandinavienreise haben wollte. Das war ganz ohne Zweifel der größte Fehler meiner gesamten Motorrad-Karriere – und davon hab ich jede Menge gemacht. Aber es ist nicht zu ändern, und ich befürchte, dieses Leben ist zu kurz für eine zweite Max-Geschichte.

So bleibt mir nur, mich an der Spezialmax meines Freundes Jürgen zu erfreuen, die ich ab und zu beschrauben und auch fahren darf. Ist immerhin besser als gar nichts.

Eine schöne Spezialmax hat der Jürgen sich da an Land gezogen: Gekauft vom Nachbarn in Sellnrod in bestem Zustand. Eine tolle Max, die ich sehr mag.